Im Rahmen unserer Themenserie „Männergesundheit“ widmen wir uns in dieser Ausgabe den Vorsorgeuntersuchungen in der Kardiologie. Hierfür haben wir mit dem Freiburger Kardiologen Dr. Dirk Radicke ein Gespräch geführt.
- Warum ist die Gesundheit des Herzens so wichtig und wie können Vorsorgeuntersuchungen dazu beitragen?
Es gibt hierbei zwei Aspekte. Aus individueller Sicht ist die Gesundheit des Herzens für jeden Menschen wichtig, um schwere Ereignisse wie Herzinfarkte und lebensbedrohlich Rhythmusstörungen zu vermeiden, um gesund älter zu werden und eine gute Lebensqualität zu haben. Neben dem menschlichen Aspekt gibt es bei der Prävention aus kardiologischer Sicht auch einen gesundheitsökonomischen Aspekt. Mittels Vorsorgeuntersuchungen könnte man das Auftreten einer der häufigsten Erkrankungen und Haupttodesursachen in Deutschland deutlich reduzieren. Damit gewinnt die kardiovaskuläre Prävention auch einen volkswirtschaftlichen Aspekt. Wenn wir kardiologische Vorsorgeuntersuchungen betreiben, vermeiden wir Atherosklerose, Senken das Risiko von Herzinfarkten, Herz-Rhythmusstörungen und Schlaganfällen. Die Folgekosten dieser Krankheiten sind deutlich höher als die Kosten für Prävention. Die eingesparten Ressourcen könnten wiederum woanders eingesetzt werden. Die Vorsorgeuntersuchungen können hier ihren Teil dazu beitragen, weil sich die Risiken durch Prävention reduzieren lassen.
- Welche sind die häufigsten Herzkrankheiten, auf die Vorsorgeuntersuchungen abzielen, und wie unterscheiden sie sich voneinander?
Die häufigsten Herzerkrankungen sind die koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen und die Herzinsuffizienz (Herzschwäche). Bei der koronaren Herzkrankheit sind die Koronargefäße, die den Herzmuskel mit sauerstoffreichem Blut versorgen, verkalkt. Wenn durch diese Verkalkung Engstellen oder Verschlüsse entstehen, wird der Blutfluss zum Herzmuskel entsprechend behindert. Wenn sich ein Koronargefäß plötzlich komplett verschließt, ist ein Herzinfarkt die Folge.
Bei der Volkskrankheit Herzrhythmusstörungen steht das Vorhofflimmern im Vordergrund. Hier gibt es das bemerkte sowie das unbemerkte Vorhofflimmern. Insbesondere das nicht bemerkte Vorhofflimmern ist eine der Hauptursachen für Schlaganfälle. Das Vorhofflimmern nimmt in unserer Gesellschaft an Häufigkeit deutlich zu.
Dann gibt es noch das Risiko von Herzrhythmusstörungen mit plötzlichem Herztod. Das kennt man vor allem aus dem Sportbereich. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich alleine durch die Aufzeichnung eines Ruhe-EKGs das Risiko plötzlicher Herztode bei Sportlern während der Ausübung sportlicher Aktivitäten um 60 Prozent reduzieren lässt.
- Welche Menschen sollten regelmäßige kardiologische Vorsorgeuntersuchungen beim Kardiologen in Betracht ziehen? Gibt es bestimmte Risikofaktoren, die beachtet werden sollten?
Zu den Risikofaktoren gehören beeinflussbare und nicht beeinflussbare. Letztere ist die familiäre Prädisposition. Das bedeutet, in einer direkten Familienlinie hat es bereits Erkrankungen gegeben. Ein Klassiker ist beispielsweise, wenn Großmutter, Mutter und Tante einen Herzinfarkt hatten. Dann ist die Wahrscheinlichkeit für die Tochter sehr hoch, ebenfalls einen Herzinfarkt zu erleiden. Die nicht beeinflussbaren Risikofaktoren sind Bewegungsmangel und das damit zusammenhängende Übergewicht, Fettstoffwechselstörung, Diabetes, Schlafapnoesyndrom, Nikotin, sozialer Status und Lebenssituation sowie Stress. Stress kann beruflicher Stress sein oder auch familiärer Stress, wenn man beispielsweise Angehörige pflegt oder auch intrafamiliäre Konflikte gehören dazu.Vorsorge und Früherkennung in Bezug auf die Herzgesundheit könnten in Deutschland verbessert werden. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen beim Kardiologen sind nicht vorgesehen. Die Regelversorgung der gesetzlichen Versicherung empfiehlt ab dem 35.Lebensjahr eine Vorsorgeuntersuchung alle 3 Jahre, die eine Anamnese, eine körperliche Untersuchung und ein EKG umfasst. Dies erfolgt grundsätzlich über den Hausarzt. Dennoch gibt es immer wieder Menschen, die darüber hinaus eine Vorsorge-Untersuchung wünschen. Insbesondere bei familiärer Prädisposition, Fettstoffwechselstörung, oder bei Stressbelastung. Hier empfehlen wir individuell abgestimmte Vorsorgeuntersuchungen. Abzugrenzen von dieser Thematik sind Sportgesundheitsuntersuchungen, die wir auch in unserer Praxis „360° cardio freiburg“ anbieten und die für verschiedene sportausübende Menschen sinnvoll sind. Dazu gehören Gesundheitssportler, sowohl Beginner als auch Wiedereinsteiger. Darüber hinaus ambitionierte Breitensportler, die an Wettkämpfen teilnehmen wollen oder einen Trainingsumfang von mehr als 5 Stunden pro Woche haben. Weitere Zielgruppen sind Jugendliche mit auffälligen Befunden sowie Menschen, die Sportarten mit einem besonderen Risiko ausüben. Neben den Sporttauglichkeitsuntersuchungen bieten wir für alle, auch Menschen mit Herz-Kreislauf-Krankheiten, eine Leistungsdiagnostik zur Trainingsplanung und eine Trainingsbegleitung an.
- Wie oft sollten Menschen Vorsorgeuntersuchungen beim Kardiologen durchführen lassen?
Wenn es nach meinem Wunsch ginge, dann alle 2 bis 3 Jahre. Also bei Sportlern und Menschen, die mit den erwähnten Risikofaktoren vorbelastet sind. - Welche Warnzeichen oder Symptome sollten Menschen beachten, die auf Herzprobleme hinweisen könnten?
Jegliche Form belastungsabhängiger Schmerzen. Wenn Menschen auffällt, dass sie beim Bergangehen, Treppensteigen oder beim Radfahren jedes Mal ab der gleichen Belastungsintensität beispielsweise einen Druck auf der Brust haben – das ist der Klassiker -, Druck im Oberbauch verspüren, Luftnot haben oder Schweißausbrüche entwickeln. Diese Warnzeichen sollten einen dazu bewegen, den Hausarzt und dann auch den Kardiologen aufzusuchen. Andere Warnhinweise können ein chaotisches Herzrasen oder ein schlagartig auftretendes Herzrasen sein. Ein weiteres Warnzeichen können eine grundsätzliche Erschöpfung und Leistungsminderung sein. In diesem Fall sollte zumindest einmal ein Kardiologe aufgesucht werden, bevor solche Symptome eventuell einer psychosomatischen Erkrankung zugeordnet werden. - Welche Arten von Vorsorgeuntersuchungen werden in der Kardiologie typischerweise durchgeführt und wie unterscheiden sie sich?
Mit dem EKG können wir jede Form von Rhythmusstörungen erkennen, mit dem Belastungs-EKG sowohl bei belastungsabhängigen Beschwerden als auch bei einer Hypertonie. Eine weitere Untersuchungsmethode ist der Ultraschall. Mit einer Ultraschalluntersuchung des Herzens und der Gefäße erhalten wir beispielsweise Informationen über eventuelle Herz-Klappen-Veränderungen oder Herzmuskelentzündungen.
- Wie beeinflusst der Lebensstil die Gesundheit des Herzens und welche Maßnahmen können Menschen ergreifen, um ihr Herz gesund zu halten?
Der Lebensstil ist der Hauptfaktor bei der Entstehung von Herzkrankheiten. Es gibt zwar die nicht beeinflussbaren Risikofaktoren, sprich die familiäre Prädisposition, aber diese kommen meist erst durch den Lebensstil zum Tragen. Im Vordergrund steht hierbei der Bewegungsmangel, der bei nicht wenigen Menschen schon in der Kindheit besteht und auch im späteren Leben ein Thema ist. Neben der Bewegung ist die Ernährung ein sehr entscheidender Faktor. Allgemein ist eine ausgewogene und gesunde Ernährung wichtig. Der weitgehende Verzicht auf Nikotin und Alkohol, sowie die Reduktion von Salz, Zucker und Süßstoff sowie Zusatzstoffen in industriell produzierten Lebensmitteln spielt hierbei eine wichtige Rolle. Allgemein sollte man qualitativ hochwertige Lebensmittel aus traditioneller Produktion solchen aus der industriellen Fertigung vorziehen. Ein weiterer Aspekt ist die Art und Weise, wie jemand Stress bewältigt. Oftmals weise ich Patienten darauf hin, eigene Denk- und Handlungsmuster zu hinterfragen. Warum stresst mich etwas? Wenn zum Beispiel der Nachbar stresst, dann liegt es nicht unbedingt alleine an dem Stressfaktor selbst, sondern auch an der Art und Weise wie ich damit umgehe.
Herr Dr. Radicke, vielen Dank für das Gespräch!
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Über unseren Experten: Nach seinem Studium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg machte Dr. Dirk Radicke eine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin und arbeitete als Kardiologe am Universitätsspital Zürich sowie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seit 2009 ist er als Facharzt für Innere Medizin und Kardiologe in Freiburg niedergelassen. Zusammen mit seinem Kollegen Dr. Thomas Kaspar führt er die Praxis 360° Cardio Freiburg.
Kontakt: 360° Cardio Freiburg ǀ Bismarckallee 9 ǀ 79098 Freiburg im Breisgau ǀ Tel. 0761 3 64 89 ǀ www.360-cardio-freiburg.de
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