Ist Wandern eigentlich Sport? Ja! Und zwar die ursprünglichste Art. Wandern bietet viele Vorteile für Körper und Seele. Wie beispielsweise eine Wandertour auf dem Mont Sainte Odile in den elsässischen Vogesen.
So nah und doch so fern. Das gilt auch in diesem Fall. Die Wanderung beginnt auf dem oberen Parkplatz des Klosters Hohenburg in der Nähe der Ortschaft Obernai. Die bedeutende elsässische Wallfahrtsstätte ist Startpunkt und Ziel zugleich. Genauer gesagt: Die Belohnung der folgenden rund vierstündigen Wanderung wird der atemberaubende Ausblick auf der Panoramaterrasse der Klosteranlage sein.
Mystische Heidenmauer
Unmittelbar vor dem Eingang zum Konvent führt rechts eine Treppe nach unten. Dort angekommen steht eine Entscheidung an. Links führt ein zirka einen Kilometer langer Abstecher zur Odilienquelle. Der Legende nach kam die Quelle zum Vorschein, als die heilige Odilia hier mit ihrem Stab gegen den Felsen klopfte. Das herausströmende Wasser gab sie einem Blinden, der sein Augenlicht wiedererlangte. Solche Wunder sind in letzter Zeit zwar nicht bezeugt. Allerdings wird der Quelle nach wie vor Heilkraft nachgesagt. Viele Pilger kommen hierher, um aus ihr zu trinken.
Nach einem Schluck aus der Odilienquelle geht es wieder nach oben zur Weggabelung. Das nach rechts weisende Schild gibt die Informationen preis, die für die folgende Wanderung entscheidend sind. Wann immer man den Hinweis „Mur Paien Circuit“ (Heidenmauer-Rundweg) oder ein gelbes Kreuz sieht, wandert man auf der richtigen Route.
Nach wenigen Metern beginnt ein Kreuzweg. Die auf den Felswänden angebrachten Keramikbilder stellen in vierzehn Stationen eindrücklich den Leidensweg Jesu Christi nach. Erschaffen wurde das in den Farben Blau und Beige dominierende Kunstwerk zwischen 1933 und 1935 von Leon Elchinger aus Soufflenheim. Die kleine Gemeinde nördlich von Straßburg ist heute noch für ihre Keramikproduktion und ihre Töpferprodukte wie beispielsweise Gugelhupf- und Baeckeoffe-Auflaufformen bekannt.
Mystisch-romantische Atmosphäre: Die Heidenmauer mit ihren moosbewachsenen Steinquadern.
Im Anschluss an den Kreuzweg treffen Wanderer auf die namensgebende Mur du Paien, die Heidenmauer, die über 10 Kilometer lang ist und den gesamten oberen Teil des Bergs umschließt. k
Die aus grob behauenen Quadern erbaute Mauer ist an einigen Stellen bis zu drei Meter hoch und zwischen 1,60 Meter und 1,80 Meter breit. Um die Mauer ranken sich zahlreiche Sagen. Wozu diente sie? Zur Eingrenzung einer keltischen Kultstätte? Handelt es sich um eine frühmittelalterliche Schutzmauer? Das ist für die Archäologie bis heute ein Rätsel. Gerade dieser Umstand verleiht diesem Ort etwas Mystisches beim Wandern an der moosbewachsenen Mauer entlang. Insbesondere am frühen Morgen, wenn Nebel über dem Wald liegt und man lediglich die Vögel sowie den Wind in den hohen Baumkronen hört, ist die Atmosphäre einzigartig.
Der Mensch ist ein Wanderer
Nach rund drei Kilometern erreicht man das Felsenplateau des Maennelsteins. Achtung: Im Bereich des Maennelsteins gibt es sehr steile, ungesicherte Abgründe. Hier sollte man unbedingt auf Kinder achten und nicht zu nah an den Rand treten. Die Aussichtsplattform ist hingegen von einem Zaun umgrenzt und bietet nach Osten und Südosten einen Blick auf die Rheinebene und den Schwarzwald. Die Aussicht ist schön, wenngleich auch nicht ganz so spektakulär wie beim Höhepunkt am Ende der Wanderung. Auf jeden Fall eignet sich der Maennelstein hervorragend für ein Picknick. Auf den Rastbänken, bei Regen in der Schutzhütte oder direkt auf dem Felsplateau. Wer sich ein wenig Zeit für die Natur und die Sehenswürdigkeiten genommen hat, der ist jetzt knapp eine Stunde unterwegs. Der Schwierigkeitsgrad ist moderat. Es gibt wenige größere Steigungen. Die Wege sind bis auf Hindernisse in Form von Steinen und Baumwurzeln breit und trittsicher.
Dennoch schwitzt man zu diesem Zeitpunkt und merkt, dass man hier ja Sport macht. Und zwar die natürlichste Form von Sport. Der Mensch war schon seit frühesten Zeiten immer zu Fuß unterwegs. Um Nahrung zu sammeln, neue Jagdgründe zu erschließen und Tiere zu jagen oder neue Weidegründe für das Vieh zu finden. Unser Körper ist auf das Wandern und Laufen ausgelegt. Wohl jeder kennt das berühmte Bild, das die Evolution des Menschen hin zum aufrechten Gang illustriert. Die Beine wurden länger, die Arme etwas kürzer und der Schädel bedeutend größer. Unsere Form der Füße, das Becken, der Brustkorb, die Wirbelsäule, unsere gesamte Anatomie weist spezifische Anpassungen an den aufrechten Gang auf. Der Schädel sitzt auf den Halswirbeln, so dass Menschen beim schnellen Laufen immer noch nach vorne schauen und alles im Blick behalten können. Im Vergleich zu verwandten Menschenaffen benötigt der Homo Sapiens wesentlich weniger Muskelmasse, um zweibeinig zu laufen. Wir sind deshalb viel effizienter auf zwei Beinen unterwegs. Ein weiterer Vorteil: Aufgrund der wenigen Haare und der Haut mit ihren Millionen Schweißdrüsen kann ein durch körperliche Anstrengung erhitzter Körper wunderbar gekühlt werden. Dies ermöglicht uns zusammen mit dem aufrechten Gang, über einen großen Zeitraum relativ zügig zu gehen oder zu laufen.
Wir Menschen sind zwar bei weitem nicht das schnellste Lebewesen im Tierreich. Dafür gehören wir aber zu den ausdauerndsten bei schneller Fortbewegung. Dies erlaubte unseren Vorfahren dank ihrer Ausdauer und Durchschnittsgeschwindigkeit, Tiere zu jagen, die kurzfristig schneller als der Mensch sind. So kamen Menschen auf einen täglichen Aktionsradius von 20 bis 30 Kilometern rund um ihre Lagerstätte. Davon sind wir Nachfahren im Zeitalter von modernen technischen Errungenschaften wie Autos, Bussen, Bahnen, Rolltreppen und Lifts weit entfernt. Warum sollte man heutzutage überhaupt noch wanden?
Moderater Sport für Körper und Geist
Die Antwort: Wandern ist ein moderater Sport, der in vielerlei Hinsicht positiven Einfluss auf den Körper hat. Zunächst einmal trainiert man seine Ausdauer. Wer regelmäßig mehrstündige Wanderungen unternimmt, macht seinen Körper deutlich fitter für physische Belastungen und regeneriert schneller nach Anstrengungen.
Zudem lernt der Körper, verstärkt Fette als Energiequelle zu nutzen. Wenn man gleichzeitig auf die Ernährung achtet, purzeln auf diese Weise schnell die Pfunde. Gerade für (Wieder-)Einsteiger, die längere Zeit keinen Sport k
gemacht haben und nicht joggen möchten oder können, ist Wandern das passende Training. Übrigens kann man beim Wandern so viele Kalorien wie beim Joggen verbrennen. Hügelige und bergige Landschaften sind außerdem ein prima Intervalltraining, das Schnelligkeit und Ausdauer verbessert. Je anspruchsvoller die Strecke, desto mehr werden Rumpf, Beine, Arme, Po und die Fußmuskeln trainiert. Gleichzeitig verbessert man die individuelle Trittsicherheit und erhöht die persönlichen Koordinationsfähigkeiten. Wandern ist auch ideal für übergewichtige Menschen. Bereits kurze Touren in ebenem Gelände sind ein hervorragendes Training für den Körper, das die Fettverbrennung anheizt und die Kondition steigert.
Darüber hinaus eignet sich Wandern für Bluthochdruck-Patienten. Regelmäßige Touren mit einem moderaten Schwierigkeitsgrad stärken den Herzmuskel, so dass mehr Blut pro Herzschlag durch den Körper gepumpt wird. Dadurch wird der Puls sowohl bei Belastung als auch im Ruhezustand niedriger. Allerdings sollten Wanderanfänger es ruhig angehen lassen und sich nicht zu viel zumuten. Besser eine kürzere Tour in einfachem Gelände als eine Powerstrecke durch die Berge, um Erschöpfung und Konzentrationsmängel zu vermeiden. Wer auf hügeliges Gelände nicht verzichten möchte, sollte über die Anschaffung von Wanderstöcken nachdenken. Die Belastung ist insbesondere beim Abstieg ungewohnt für die Gelenke. Ein Wanderstock kann hierbei die Trittsicherheit unterstützen. Das Wandern macht den Körper fit.
Aber auch die Seele kommt nicht so kurz. Für viele Menschen ist dies sogar der Hauptgrund für das Wandern. Raus aus den vier Wänden und ab in die Natur, den Alltag hinter sich lassen, entschleunigen und abschalten. Wandern ist Medizin für die Seele. Der Endorphin-Spiegel steigt und man ist nach einer Wanderung durch die Natur deutlich glücklicher und zufriedener.
Der Weg zum Glück
Zum Wandern gehören auch gelegentliche Pausen, um ausreichend Wasser zu trinken (vor allem im Sommer!) und den Kohlenhydratespeicher mit einem kleinen Snack wieder aufzufüllen. Die Rast auf dem Maennelstein war dafür ideal. Nun geht es aber weiter.
Das nächste Highlight ist die rätselhafte „Grotte des Druides“. Die „Druidenhöhle“ besteht aus einem großen flachen Felsen, der auf zwei weiteren rechteckigen Gesteinsbrocken aufliegt. Den Druiden Miraculix wird man hier wohl kaum antreffen. Ob es sich um ein keltischen Kultort, ein Megalithgrab oder schlichtweg um eine natürliche Felsformation handelt, ist unter Experten umstritten. Ein atmosphärischer Ort ist es aber allemal – Kopfkino inklusive. Einfach kurz innehalten, die Sonne auf dem Gesicht fühlen, die Ruhe des Waldes genießen und durchatmen.
Ganz sicher bezüglich Ursprung und Bedeutung sind sich die Archäologen hingegen bei den „Tombes mérovingiennes“ in der Nähe des unteren Parkplatzes. Hierbei handelt es sich um Gräber aus dem siebten Jahrhundert, also einer Zeit, in der die Klostergründerin Odilia lebte.
Nun steht erneut eine Entscheidung an. Die Hälfte der Wanderung ist geschafft. Wer dem Lockruf eines kühlen Getränks im klostereigenen Biergarten folgen möchte, kann nun abkürzen und über die Parkplätze sowie die asphaltierte Straße nach oben zur Anlage zurückgehen. Alle anderen folgen dem „Circuit du Mur Paien“ auf der folgenden Nordroute. Nach einer halben Stunde treffen Wanderer auf die „Porte Koeberlé“, einen schmalen Eingang in der Heidenmauer, der den Zugang zum oberen Teil des Berges kontrollierte. Auf der gesamten Länge der Mauer gibt es mehrere solcher Eingänge. Dieser hier ist besonders spannend, weil er relativ gut erhalten ist. In dem noch aufrecht stehenden Torpfosten befindet sich eine Vertiefung, die vermutlich Teil des Schließmechanismus war. Unmittelbar vor dem Eingang liegt der mächtige mit Moos überwachsene Türsturz, unter dem vor vielen Jahrhunderten Menschen durchschritten.
Am nördlichsten Punkt der Wanderstrecke führt ein kurzer Abstecher zum Hagelschloss. Die im späten 12. Jahrhundert errichtete Spornburg diente im Mittealter als Schutz der Klosteranlage und gehört zu einer Gruppe von mehreren Burgen auf dem Odilienberg. Mittlerweile hat sich die Natur große Teil vom Hagelschloss zurückerobert. Vor und in der Burgruine wachsen Bäume. Die roten Sandsteinquader sind mit grünen Pflanzen überzogen. Eine ästhetische Symbiose, die vor allem vor strahlend blauem Himmel wunderschön wirkt.
Nach der Visite führt der Weg weiter an der Heidenmauer entlang und an der „Grotte d’Etichon“ vorbei. Der lokalen Legende nach handelt es sich bei der kleinen Höhle um das Grab von Odilias Vater Eticho, eines elsässischen Herzogs, der im siebten Jahrhundert hier auf dem Odilenberg herrschte. Nun ist seine einstige Burg, das heutige Kloster Hohenburg, nicht mehr weit entfernt. Schließlich erreicht man wieder den oberen Parkplatz. Es ist geschafft! Nach der rund vierstündigen Wanderung rund um den Odilienberg ist das Ziel erreicht. Das Kloster Hohenburg und seine Panoramaterrasse. Von hier oben bietet sich ein fantastischer Blick auf die oberrheinische Tiefebene und die elsässischen Dörfer. Am Horizont sind der Schwarzwald und Straßburg zu sehen. Bei herrlichem Wetter kann man sogar das Liebfrauenmünster entdecken. Die Aussicht ist atemberaubend und war jeden Schweißtropfen wert.
Das Equipment
Wichtig sind feste Bergschuhe mit einer gut profilierten Sohle. Sie bieten beim Wandern mehr Halt als normale Alltags- oder Sportschuhe. Die Kleidung sollte bequem sein und den Schweiß schnell abtransportieren, damit man nicht auskühlt. Dazu gehört bei entsprechendem Wetter eine regen- und windabweisende Jacke. In den Bergen (auch im Sommer) ist es immer ein paar Grad kühler und windiger als in niedrigeren Höhenlagen und der Ebene. Deshalb sollte man auch eine (leichte) Mütze denken. Die kommt entweder auf den Kopf oder als Reserve in einen leichten, gut gepolsterten und durch Gurte verstellbaren Rucksack. Zum Inhalt gehören neben ausreichend Wasser und kleinen Snacks auch Erste-Hilfe-Utensilien. Sehr wichtig: Ein voll aufgeladenes Handy, um im Notfall Hilfe rufen zu können.Wichtig sind feste Bergschuhe mit einer gut profilierten Sohle. Sie bieten beim Wandern mehr Halt als normale Alltags- oder Sportschuhe. Die Kleidung sollte bequem sein und den Schweiß schnell abtransportieren, damit man nicht auskühlt. Dazu gehört bei entsprechendem Wetter eine regen- und windabweisende Jacke. In den Bergen (auch im Sommer) ist es immer ein paar Grad kühler und windiger als in niedrigeren Höhenlagen und der Ebene. Deshalb sollte man auch eine (leichte) Mütze denken. Die kommt entweder auf den Kopf oder als Reserve in einen leichten, gut gepolsterten und durch Gurte verstellbaren Rucksack. Zum Inhalt gehören neben ausreichend Wasser und kleinen Snacks auch Erste-Hilfe-Utensilien. Sehr wichtig: Ein voll aufgeladenes Handy, um im Notfall Hilfe rufen zu können.
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