Unter anderem wirken sich langes Sitzen und langes Stehen ungünstig aus
Beim Thema Beckenboden bzw. Beckenbodensenkung denken wir zunächst vor allem an Schwangere. Doch der Beckenboden bildet für jeden Körper eine wichtige Funktion und er muss tatsächlich von jedem im Auge behalten werden. Zu diesem Thema sprachen wir mit dem
Freiburger Proktologen Dr. Stephan Potzler.
Herr Dr. Potzler, zunächst einmal die grundsätzliche Frage: Welche Funktionen nimmt der Beckenboden bei uns ein?
Der Beckenboden besteht in erster Linie aus einer Mehrzahl von Muskeln, Sehen und Bändern. Diese haben eine Halte- und Schutzfunktion für die im Becken eingebetteten Organe. Dazu gehören im Wesentlichen der Mastdarm und die Harnblase sowie die Gebärmutter und die Eierstöcke bei den Frauen und die Prostata bei den Männern. Zusätzlich sorgen weitere Bänder und Sehnen für die sichere Haltung der Organe.
Weshalb denken wir bei Beckenboden zunächst oft nur an Schwangere?
Die größte Herausforderung für den Beckenboden ist tatsächlich die Schwangerschaft. Die Gewichts- und Größenzunahme des Ungeborenen und der Gebärmutter, die immer mehr auf das Becken drückt, sorgen dafür, dass es zur Absenkung kommen kann. Die Entbindung ist dann eine enorme Herausforderung für den Körper. Im Nachgang haben nicht wenige Frauen mit Kontinenzstörungen als Folge der Beckenbodensenkung zu kämpfen. Zur Regenerierung und Straffung der Muskulatur und des Gewebes ist daher eine Rückbildungsgymnastik sehr ratsam.
Was genau passiert bei der Beckenbodensenkung?
Die Muskeln und die Bänder werden überdehnt und verlieren somit an Elastizität und Halt. Auch die Haltebänder der Organe selbst sind davon betroffen. Hinzu kommt, dass sich die Nervenbahnen in ihrer Struktur verändern und damit die Grundspannung nicht in der ursprünglichen Weise gegeben ist.
Und merken wir das auch oder bedarf es einer Art Vorsorgeuntersuchung?
_Bei Frauen entwickelt sich die Senkung eher schleichend. Jede Schwangerschaft leistet da ihren Beitrag. Hier ist man sicherlich schon zum Thema Beckenbodensenkung sensibilisiert. Ansonsten können typische Auslöser einer Beckenbodensenkung bei Männern und Frauen häufiger Durchfall, fester Stuhl oder schweres Heben und Tragen sein. Auch Sportler mit einem hohen Leistungsniveau können betroffen sein. Also immer dann, wenn dauerhaft auf die Organe im Beckenbereich ein hoher Druck ausgeübt wird. Klassische Anzeichen sind beispielsweise ein gestörter Harnfluss beim Wasserlassen oder auch vergrößerte Hämorriden. Das Phänomen tritt mit zunehmendem Alter auf und wird gerne als altersgegebene Veränderung des Körpers abgetan.
Männer sind ja beim Thema Beckenboden bestimmt nicht immer sofort hellhörig. Was empfehlen Sie dem „starken“ Geschlecht?
_Zunächst ist es wichtig, darauf zu achten, einen gut regulierten Stuhlgang zu haben und übermäßige körperliche Belastungen dauerhaft zu vermeiden.Wenn man doch betroffen ist, so greifen zunächst physiotherapeutische Maßnahmen, um Muskeln und Organe zu stärken, und das knöcherne Becken mit dem Beckenknochen zu stabilisieren. Im Bedarfsfall können operative Eingriffe helfen, um die Lage der nach unten drängenden Organe wieder zu korrigieren: dies kann eine Mastdarmverkürzung sein, eine Hämorriden-OP oder das Einsetzen einer Netzeinlage zur Stützung der Organe.
Haben Sie zum Schluss noch einen Tipp für alle Leserinnen und Leser?
_Mit einem sogenannten erworbenen Übergewicht sind die Probleme schon oft vorprogrammiert. Hier wird der Beckenboden einer permanenten Dauerbelastung ausgesetzt. Was immer gut ist, ist eine moderate körperliche Aktivität wie Spazierengehen, Nordic Walking oder Radfahren – stets nach dem Motto „Der stete Tropfen höhlt den Stein“. Wenn man bedenkt, dass 80 Prozent unserer Bewegungsabläufe Gewohnheitsbewegungen sind und diese Gewohnheit eher aus Stehen und Sitzen besteht, gilt es diese durch eine regelmäßige aktive Bewegung zu verändern.
Herr Dr. Potzler, besten Dank für dieses Gespräch!
Zu unserem Experten
Dr. med. Stephan Potzler ist Arzt für Proktologie/Coloproktologie und betreibt seit 2003 eine Privatpraxis in Freiburg. Bereits während seiner Studienzeit interessierte er sich sehr stark für die Coloproktologie. Nach seinem Staatsexamen 1996 machte ich seine Passion zur Spezialausbildung in der Chirurgie für Koloproktologie, Gastroenterologie und Dermatologie in Deutschland, der Schweiz und in den USA. Dr. med. Potzler ist Mitglied im Berufsverbandes der Coloproktologen Deutschlands (BCD), in der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie (DGK) und in der European Society of Coloproctology (ESCP).
Kontakt:
Proktologische Privatpraxis End- und Dickdarmerkrankungen
Konrad-Goldmann-Straße 5c
79100 Freiburg
Tel. 0761-20 23 244
www.proktologiepotzler.de
Discussion about this post