Fast jeder Mensch hat persönliche Ängste. Das ist ganz normal. Wenn diese Ängste allerdings das Leben einschränken, dann sollten sie behandelt werden. Oft ist die Ursache dieser Angst schon längst vergessen und schlummert tief im Unterbewusstsein. In unserem Interview mit Brigitte Stürzenhofecker sprechen wir darüber, was Hypnose hier und bei anderen Themen leisten kann.
Manche Menschen verbinden mit der Hypnose einen Kontrollverlust. Ist diese Sorge berechtigt?
Das ist eine häufig gestellte Frage, gerade von Menschen mit einer Angststörung. Aber das Gegenteil ist der Fall. Hypnosetherapie ermöglicht, die Kontrolle über sich und sein Leben wieder zu erlangen! Hypnose ist eine der ältesten Therapieformen. Sie ist eine sehr intensive und gleichzeitig sanfte und effektive Behandlungsform, um Veränderungen zu bewirken. Hypnosetherapie hat nichts mit Show-Hypnose zu tun. Sie haben jederzeit die Kontrolle und es geschieht nichts gegen Ihren Willen!
Wie fühlt sich Hypnose an?
Es gibt nicht „die“ Hypnose. Es ist ein individueller Prozess, ein individuelles Vorgehen. Jeder empfindet Hypnose anders. Hypnose ist ein ganz natürlicher Bewusstseinszustand. Jeder kennt zum Beispiel die sogenannte Autobahntrance.
Hypnose ist ein Zustand zwischen Wachbewusstsein und Schlaf. In der Hypnose kann man ganz bewusst und klar denken. Vieles fühlt sich leichter an, in Trance ist der Körper sehr entspannt. Hypnose ist sogar ein Zustand erhöhter Aufmerksamkeit. Erinnerung, Gedächtnis und Vorstellungskraft sind deutlich besser als im Wachbewusstsein.
HypnoseWandel Copyright: Brigitte Stürzenhofecker
Wie ist der Ablauf einer Hypnosebehandlung in Ihrer Praxis?
Zuerst einmal findet ein ausführliches Erstgespräch statt, die sogenannte Anamnese. Das Sich-Kennenlernen ist sehr wichtig und schafft die Vertrauensbasis der Zusammenarbeit. Hypnose ist immer Vertrauenssache! Nachdem das Problem oder Thema besprochen wurde, wird das persönliche Ziel vereinbart, wie zum Beispiel eine Angstfreiheit, Nichtraucher zu werden oder eine andere störende Verhaltens- oder Denkweise zu lösen.
Erst nachdem auch alle Fragen der Person geklärt wurden, geht es zum bequemen Behandlungssessel und der hypnotische Teil beginnt, wenn der Klient beziehungsweise die Klientin auch damit einverstanden ist.
Es gibt die unterschiedlichsten Hypnose-Einleitungstechniken. Ich nutze meistens die Elman-Methode, die aus verschiedenen Stufen besteht, wie Augenfixation, Körperentspannung und das Fördern von Vorstellungskraft.
Es gibt auch verschiedene Hypnosetechniken, wie zum Beispiel die suggestive Hypnose, die stärkend ist und positive Verhaltensweisen und Gefühle erzeugen soll oder auch die analytische Hypnose, um bei einem bestimmten Symptom die Ursache zu finden. Ich arbeite zudem oft mit der nonverbalen Hypnose, einer sehr tiefen und effektiven Methode.
Ist jeder hypnotisierbar?
Im Prinzip ist jeder Mensch hypnotisierbar, da es sich ja um einen ganz natürlichen Zustand handelt. Es gibt aber auch Kontraindikationen wie zum Beispiel anfallsartige Erkrankungen wie Epilepsie, schwere psychische Erkrankungen, geistige Behinderung oder ethische Gründe, die gegen eine Hypnosebehandlung sprechen.
Grundvoraussetzung für eine gelungene Hypnosebehandlung ist immer das Miteinander! Es braucht den eigenen Wunsch und Veränderungswillen sowie das Vertrauen der Person. Ansonsten sonst kann kein Therapeut etwas langfristig bewirken.
Kann man alles aus dem Unterbewusstsein abrufen?
Hypnose setzt da an, wo der Verstand alleine nicht mehr weiterkommt, nämlich im Unterbewusstsein! Belastende Emotionen wie Angst, Wut, Schuld, Scham oder Traurigkeit können nicht allein über den Verstand aufgelöst werden. Das Unterbewusstsein ist der Sitz von Emotionen. Das Unterbewusstsein ist unser Steuermann und bestimmt zum größten Teil, wie wir uns fühlen, wie wir entscheiden, handeln und denken, nicht das Bewusstsein, also unser Verstand. Man kann sich das Unterbewusstsein wie eine große Bibliothek vorstellen, in der alles aus unserem Leben in Form von Gefühlen, Bildern und Erfahrungen gespeichert ist. Diese sind aber nicht chronologisch abgespeichert und stehen dem Verstand nicht einfach zur Verfügung. Der hat darauf keinen Zugriff.
Wie kann eine Angst durch Hypnose gelöst werden?
Angst hat ja viele Facetten. Jeder Mensch kennt Angst und das ist gut so! Eine natürliche Angst schützt uns. Ohne Angst wäre die Menschheit bereits ausgestorben, das ist ein natürlicher Instinkt. Aber wenn eine irreale Angst lebenseinschränkend und belastend wird, dann sollte sie behandelt werden. Man schätzt, dass circa 20% der Menschen in Laufe des Lebens unter einer spezifischen Angst (Phobie) leiden. Sicher kennt jeder jemanden mit einer Spinnen-, Schlangen-, Hunde- oder anderen Tierphobie. Damit kommen die meisten Menschen irgendwie klar und gehen in eine Vermeidungshaltung. Es gibt zahlreiche weitere spezifische Phobien wie zum Beispiel: Platzangst, Flugangst und Höhenangst. Sehr häufig ist auch die soziale Phobie, die Schüchternheit im Umgang mit Menschen im sozialen Leben. Diese Ängste können sich steigern und in einer Panik- oder generalisierten Angststörung münden. Oft liegt die Ursache dieser Angst weit zurück in der Kindheit und ist dem Verstand nicht bewusst. Auch wenn es bewusst wäre, könnte es dadurch nicht gelöst werden. Durch den hypnotischen Prozess erreichen wir die tieferen Schichten der Vergangenheit bis in die Kindheit. Die Konditionierungen, Prägungen und Erfahrungen aus der Kindheit haben großen Einfluss, auf unser Erwachsenenleben und wie wir unsere Erfahrungen bewerten. Die Arbeit mit dem „Inneren Kind“ oder dem „jüngeren Anteil“ ist in der Hypnose der Schlüssel, um belastende Emotionen zu neutralisieren.
Können auch psychosomatische Probleme durch Hypnose gelöst werden?
In meinem Praxisalltag geht es auch oft um körperliche Leiden wie zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden, chronische Rückenschmerzen durch Verspannungen, Zähneknirschen, Schlafprobleme, starkes Schwitzen, körperliche Unruhezustände, Stresserkrankungen et cetera.
Diese Menschen sind oft sehr verzweifelt, und es wurde auch schon alles ärztlich abgeklärt und viel versucht. Das erfahre ich alles bei der Anamnese. Aber leider hatten die Vorbehandlungen keinen dauerhaften Erfolg und lösten nicht die Ursache.
Da es in meiner Praxis immer um Emotionen geht, frage ich natürlich nach dem Gefühl. Bei Rückenschmerzen und Verspannungen zum Beispiel: „Was belastet Sie gerade?“ Oft ist es uns ja nicht bewusst, was einen da so triggert und was wir den ganzen Tag so vor uns „hindenken“. Aber jeder Gedanke löst ein bestimmtes Gefühl aus und unser Körper reagiert darauf. Der Körper spricht mit uns und meiner Meinung nach hat jedes Symptom eine geistig-seelische Ursache, und das interessiert mich!
Wenn sich durch Hypnose eine Angst löst oder eine andere unbewusste Blockade, dann löst sich in der Regel auch das körperliche Symptom.
Wenn der Körper erkrankt, dann betrifft es auch die Psyche und umgekehrt. Wenn sich Ängste lösen, dann hat das einen positiven Einfluss auf den Körper. Ich betrachte den Menschen als Einheit aus Körper, Geist und Seele.
Sind Sie auch schon einmal hypnotisiert worden?
Ja, schon oft – beispielsweise in meinen vielen Ausbildungen und Kursen, die ich im Laufe meiner über zehnjährigen Berufspraxis absolviert habe.
Gerade diese Eigenerfahrung mit dieser Methode hat mich fasziniert. Ich habe selber erlebt, wie sich in mir zum Beispiel meine Vortragsangst gelöst hat, die für mich in meinem früheren Beruf eine Belastung gewesen ist. Ich bin so froh, dass ich davon befreit bin und ich selbst in der Lage bin, mich durch Selbsthypnose in diesen angenehmen Zustand der Trance zu versetzen.
Ich verankere auch fast immer bei meinen Klienten einen Selbsthypnose-Anker, der entspannt und ein sicheres Gefühl auslöst und leite an, dass sie diesen nutzen können, wenn sie sich in einer stressigen oder belastenden Situation befinden.
Wie haben Sie die jüngere Vergangenheit in ihrer Praxis erlebt?
Vielen Menschen geht es psychisch sehr schlecht. Die Pandemie hat die Situation noch mal erheblich verschärft. Ich hatte in den letzten Jahren sehr viel zu tun.
Leider wird Hypnosetherapie nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, auch wenn sie durch Ärzte oder Psychiater angewandt wird. Es ist eine Privatleistung. Das ist sehr schade, denn es ist bereits wissenschaftlich erwiesen, durch Studien aus den USA. Dort ist Hypnotherapie eine gängige Methode und weit verbreitet. Diese Studien ergaben, dass Hypnose erheblich schneller zum Ziel führt als herkömmliche kognitiven Methoden wie zum Beispiel Gesprächs- oder Verhaltenstherapie. Hypnose ist eine sogenannte Kurzzeit-Therapie und lässt sich auch gut mit den verhaltenstherapeutischen Methoden kombinieren. Bereits in ein bis fünf Sitzungen können sich alleinstehende Phobien lösen. Zwei Sitzungen reichen in der Regel aus, um eine dauerhafte Rauchfreiheit zu erreichen.
Gibt es so etwas wie eine Erfolgsquote bei der Hypnose?
Am Anfang meiner Tätigkeit habe ich eine Statistik geführt – vor allem bei den Rauchern -, nachdem ich mir vorher das Einverständnis geholt hatte, nach einer gewissen Zeit nachfragen zu dürfen. Ich frage auch heute noch nach, führe aber keine Statistiken mehr. Jeder Mensch ist individuell und keine Maschine. Wie viele Sitzungen nötig sind, ist am Anfang einer Therapie schwer einzuschätzen, da der Erfolg von vielen Faktoren abhängig ist. Der Therapeut „macht“ ja nicht die Veränderung. Die Veränderung findet im Klienten statt. Es ist ein Miteinander. In den meisten Fällen führt die erste Sitzung bereits zu einer positiven Veränderung und Bewusstwerdung, werden Blockaden gelöst und das fühlt sich sehr erleichternd an!
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Unsere Expertin:
Brigitte Stürzenhofecker
Heilpraktikerin für Psychotherapie und zertifizierte Hypnosetherapeutin (NGH)
Seit über 10 Jahren selbstständig in eigener Praxis
Praxis Hypnose und Wandel
Werderstraße 45
79379 Müllheim
Tel.: 07631/9380763
Website: www.hypnoseundwandel.de
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