Im Norden Freiburgs liegt inmitten von Mauern ein Ort, der fast zwei Jahrhunderte lang, von 1683 bis 1872, die letzte Ruhestätte für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt war: der Alte Friedhof. Nach seiner Stilllegung wurde dieser besondere Ort in eine 2,65 Hektar große Parkanlage umgewandelt. Ein Besuch hier ist wie ein Gang durch Freiburgs Geschichte und Kunstgeschichte.
Beim Betreten des Alten Friedhofs in Freiburg beginnt eine Reise in die Vergangenheit der Stadt. Der Stil der Grabmäler reicht von Barock bis Neoklassizismus und zeigt die künstlerische Entwicklung über die Jahrhunderte hinweg. Jedes Grabmal hat seine eigene Geschichte zu erzählen, voller Erinnerungen an Liebe, Verlust und Hoffnung. Der Alte Friedhof ist ein lebendiges Archiv der Stadtgeschichte, in dem jede Gedenktafel und jede sorgfältig gestaltete Grabstätte ein Stück der Vergangenheit Freiburgs preisgibt. Hier ruhen Menschen, die die Stadt mitgeformt haben: Universitätsprofessoren, Verleger, Gelehrte, Politiker, Künstler, Geistliche, Händler und viele weitere. Ihre Gräber sind nicht nur Zeugen ihres Lebens, sondern auch Zeugen der Geschichte und der gesellschaftlichen Entwicklungen.
Ein Ort der Reflexion
Der Alte Friedhof ist sowohl ein historischer Schauplatz als auch ein Ort der Ruhe und Besinnung. Besucher können hier entschleunigt zwischen dem idyllischen Baumbestand sowie den schönen Grabmälern entlangschlendern und dem Trubel des Alltags entfliehen. Die herrliche Umgebung mit ihrer natürlichen Schönheit und den kunstvoll gestalteten Grabstätten lädt dazu ein, innerlich zur Ruhe zu kommen und neue Kraft schöpfen.
Im Zentrum des Friedhofs steht die St. Michaeliskapelle, die 1720 erbaut, im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und später originalgetreu wieder aufgebaut wurde. Die St. Michaeliskapelle ist eine Oase der Ruhe und Schönheit. Mit ihrem einschiffigen Saal, der von Rundbogenfenstern durchbrochen wird, schafft sie eine Atmosphäre, die sowohl Licht als auch Schatten einfängt und so ein Spiel aus Helligkeit und Dunkelheit erzeugt. Die Innengestaltung im Rokokostil mit filigranen Stuckarbeiten und einer Decke, die Geschichten aus vergangenen Zeiten erzählt, lässt die Herzen von Kunstliebhabern höherschlagen.
Die Wände der Kapelle sind mit beeindruckenden Werken Johann Pfunners aus dem Jahr 1760 verziert. Die drei großen und sechs kleineren Ölbilder stellen Szenen aus dem Neuen Testament dar, die thematisch Tod und Auferstehung umkreisen und den Betrachter zur inneren Einkehr und Reflexion anregen. Sie sind nicht nur kunsthistorisch wertvoll, sondern laden auch dazu ein, über die großen Fragen des Lebens nachzudenken. Die Hauptbilder aller Altäre, Werke Simon Gösers, fügen sich harmonisch in das klassizistische Konzept der Kapelle ein..
Eines der berührendsten Gräber ist das der jungen Caroline Walter. Ihr Grabmal zeigt das steinerne Abbild eines schlafenden Mädchens, das auf einer faltenreichen Steindecke auf einem steinernen Ruhebett liegt, den Kopf leicht nach rechts zur Seite geneigt, in der rechten Hand ein Buch haltend. Sie sieht aus, als sei sie beim Lesen eingeschlafen. Doch hinter dieser friedvollen Szenerie verbirgt sich eine tragische Geschichte. Caroline Walter verstarb am 19. August 1867 im zarten Alter von 16 Jahren an Tuberkulose. Das Buch in ihrer Hand trägt die Aufschrift: „Es ist bestimmt in Gottes Rath, dass man vom Liebsten was man hat, muss scheiden.“ Errichtet wurde das Grab von ihrer einzigen Schwester, Selma Schleip, geb. Walter. Der Mythos um Carolines Grab spricht von einem Geliebten, der ihr täglich frische Blumen auf das Grab legte. Auch heute noch liegen immer frische Blumen dort. Aber von wem? Sind es Nachfahren, die die Tradition nicht sterben lassen wollen? Sind es Romantiker, die die Legende lebendig halten möchten? Oder ist es am Ende gar doch der Geist des Geliebten? Wie dem auch sei: In jedem Fall ist es ein stilles Zeugnis von unvergänglicher Liebe und Erinnerung.
Nicht weit entfernt ruht Christian Wentzinger, der als bedeutender Bildhauer und Architekt des Barocks in Freiburg wirkte. Sein bekanntestes Werk ist die Gestaltung der Freiburger Universitätskirche. Wentzinger, der von 1710 bis 1797 lebte, trug wesentlich zur künstlerischen Gestaltung der Stadt im 18. Jahrhundert bei. Ebenso wie Katharina Egg, mit der er eine platonische Beziehung pflegte, vermachte er sein beträchtliches Vermögen dem Freiburger Armenspital. Auf seinem Grab ist sein Porträt zu sehen, und das Grabmal trägt eine von seinem Freund Heinrich Sautier verfasste Inschrift mit einem Urteil über den Künstler und Stifter: „Er durchlebte ein Jahrhundert, durch ihn leben Jahrhunderte“.
Heinrich Sautier, der treue Freund von Christian Wentzinger, hat ebenfalls auf dem Alten Friedhof seine letzte Ruhestätte gefunden. Sautier, dessen Familie ursprünglich aus dem Herzogtum Savoyen stammte, war ein Jesuit und Grammatiklehrer. Aus seinem Vermögen spendete er Geld, um Schulmaterial für bedürftige Schülerinnen und Schüler anzuschaffen. Zudem gründete er eine Stiftung, die sich um die Ausbildung bedürftiger Kinder kümmerte. Sein Grab zeugt von seinem Engagement für Bildung und seiner tiefen Menschlichkeit.
Für diejenigen, die tiefer in die Geschichte eintauchen wollen, werden jährlich der „Tag des Alten Friedhofs“ sowie der „Tag des offenen Denkmals“ veranstaltet. Expertinnen und Experten teilen dann ihr Wissen über diesen einzigartigen Ort und seine Grabmäler. Für Besucher, die den Friedhof alleine erkunden möchten, empfiehlt sich eine spezielle App (s. Info-Box). Sie enthält Texte und Audioguides zu mehr als 1400 historischen Grabstellen bedeutender Persönlichkeiten auf 50 Friedhöfen in 33 deutschen Städten, darunter auch den Alten Friedhof in Freiburg.
Alter Friedhof Freiburg
Karlstraße 37-39
79104 Freiburg im Breisgau
Homepage: www.alter-friedhof-freiburg.de
Auf Initiative der Freunde des Alten Friedhofs wurde ein Audioguide produziert. Er ist über die bundesweite App wo-sie-ruhen oder direkt über die Homepage www.wo-sie-ruhen.de abrufbar. Vom Vorstandsmitglied Dr. Mona Djabbarpour stammen die Texte, die der Schauspieler Hans-Jürgen Schatz eingelesen hat.
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